Tränen nach dem Rücktritt: Ricarda Lang saß vor ihrem Handy und hat geweint
Der Rücktritt von Grünen-Chefin Ricarda Lang im September war für diese eine höchst emotionale Angelegenheit, wie sie jetzt offenbart hat.
Ricarda Langs Entscheidung, den Vorsitz der Grünen abzugeben, hat sie offenbar stärker getroffen, als sie selbst zunächst gedacht hatte. In einem Gespräch mit der Zeit schilderte sie jetzt, wie sehr sie das Ganze emotional mitgenommen habe. Doch das sei ihr selbst erst beim Rücktritt des SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert so wirklich bewusst geworden. "Ich saß vor meinem Handy und habe geweint", sagte Lang. So habe sie reagiert, als sie von der Nachricht hörte.
Ricarda Lang: Diese Nachricht brachte sie zum Weinen
Der erst 35-jährige Kühnert hatte seine Entscheidung des sofortigen Rücktritts am 7. Oktober öffentlich bekannt gegeben. Rund ein Jahr lang war Kühnert im Amt. Er gab als Grund dafür gesundheitliche Probleme an. Auch eine erneute Kandidatur für den Bundestag im nächsten Jahr schloss er kategorisch aus. Er benötige die entsprechende Energie, um gesund zu werden.
Lang, die gemeinsam mit dem zweiten Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour am 25. September ihren Rücktritt bekannt gegeben hatte, bleibt noch bis zur Wahl der Nachfolger beim Parteitag am 15. November im Amt. Dieses hatte sie insgesamt drei Jahre inne. Die 29-jährige Lang war damit die jüngste Parteichefin in der Geschichte der Grünen.
Der Druck, perfekt zu sein
Während ihrer Amtszeit hatte Lang häufig mit Vorurteilen zu kämpfen, die ihr entgegengebracht wurden. Neben ihrem Äußeren war auch immer wieder Thema, dass sie selbst keine abgeschlossene Berufsausbildung habe, aber nun über das Leben anderer bestimmen wolle. Ebenso sorgte ihr Outing als bisexuell im Jahr 2021 für heftige Reaktionen.
Für Ricarda Lang keine einfache Situation, wie sie jetzt offen eingesteht: "Ich habe versucht, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten, so ernsthaft, glatt und perfekt wie möglich zu sein", erklärte sie. Doch heute bereut sie diese Haltung. Ihrer Ansicht nach habe der Versuch sich anzupassen, letztlich nur dazu führte, dass sie sich selbst klein gemacht habe. "Man überlässt anderen die Deutungshoheit über sich", ist die 29-Jährige inzwischen überzeugt.
Familienzeit nach dem Rücktritt
Inzwischen wünscht sie sich, dass sie offener und klarer in ihrer Rolle als Spitzenpolitikerin der Grünen agiert hätte. Eine selbstkritische Sicht, die Ricarda Lang nicht nur auf sich selbst bezieht, sondern ebenso auch ihre Partei. In ihren Augen seien die Grünen zu sehr darum bemüht, sich gegen Angriffe zu verteidigen, anstatt selbstbewusst aufzutreten und die eigene Position deutlicher zu vertreten.
Nach der Rücktrittsankündigung im vergangenen September zog sich Ricarda Lang zunächst einmal aus der Öffentlichkeit zurück, suchte die Ruhe abseits des Polit-Trubels. Auf Instagram veröffentlichte sie ein Bild mit ihrem Mann Florian Wilsch in der idyllischen Umgebung der Schwäbischen Alb. "Ich habe mir das Wochenende bei meiner Mutter genommen, um den Kopf freizubekommen und meine Gedanken zu sortieren", schrieb sie dazu. Und dass sie genau das getan hat, zeigen ihre derzeitigen Äußerungen deutlich.
Scheitern in der sozialen Frage
Ricarda Langs erster öffentlicher Auftritt nach der privaten Auszeit folgte beim Zukunftskongress der Grünen. Dort sprach sie über die Herausforderungen ihrer Amtszeit, vor allem über das Thema Klimaschutz. Außerdem räumte sie ebenfalls Fehler ein, die die Partei gemacht habe. "Wir haben in den letzten Jahren ein paar Fehler gemacht, die es leicht gemacht haben, uns in eine ideologische Ecke zu drängen", gab Lang zu. Eine ähnliche Sicht äußerte auch schon Gerlinde Kretschmer, die Ehefrau des Grünen-Politikers Wilfried Kretschmer, der seit 2011 Ministerpräsident von Baden-Württemberg ist.
Für Ricarda Lang sei es deshalb nun entscheidend, "raus aus der Defensive" zu kommen und die Grünen endlich stärker in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. Genau das ist allerdings ein besonders wunder Punkt für die 29-Jährige. Denn insbesondere in Bezug auf das Thema soziale Gerechtigkeit seien nicht nur die Grünen an sich, sondern auch sie als Parteivorsitzende gescheitert. Ihr erklärtes Ziel sei es nämlich eigentlich gewesen, dass die Grünen nicht nur als Klimaschutzpartei, sondern auch als Vertreterin der ärmeren Bevölkerung wahrgenommen werden.
Hoffnung auf Erneuerung
"Ich habe es nicht hinbekommen", gestand sie. Solange die Grünen als Elitenprojekt betrachtet würden, seien ihre Bemühungen vergeblich: "Dann können wir uns das in die Haare schmieren." Die Tatsache, dass sie in diesem Punkt keine Veränderung bewirken konnte, bezeichnete Lang als ihr größtes Versäumnis. Denn den Klimaschutz mit der sozialen Frage zu verbinden, sei der Schlüssel, um wieder mehr Menschen zu erreichen, da ist sich Lang sicher. Ihre Fraktionschefin Britta Haßelmann erklärte ebenfalls, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei, um ein positives und optimistisches Bild von der Zukunft zu vermitteln.
Obwohl die Grünen aktuell in Umfragen so schlecht dastehen wie seit sieben Jahren, hat der Rücktritt von Lang und Nouripour zumindest kurzfristig für einen kleinen Aufschwung gesorgt. Die Partei legte auf elf Prozent zu und will sich künftig stärker auf ihre Kernthemen konzentrieren.
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Verwendete Quellen:
T-online.de: Rücktritt der Grünen-Chefin: "Ich saß vor meinem Handy und habe geweint"
Bild.de: Grünen-Chefin gibt nach Rücktritt Fehler zu: „Können uns das in die Haare schmieren“
Tagesspiegel.de: Ricarda Lang ist erste offen bisexuelle Abgeordnete: „Mein Einzug in den Bundestag ist für viele ein schönes Signal“