"Eine Koalition wie ein Kartenhaus": Ricarda Lang rechnet mit der Ampel und Kanzler Scholz ab
Mit klaren Worten zieht Noch-Grünen-Chefin Ricarda Lang Bilanz über die Ampel-Koalition, die Grünen und ihr persönliches politisches Schaffen.
Der Traum von der "Fortschrittskoalition", mit dem die Ampelparteien einst angetreten waren, hat sich für Ricarda Lang zerschlagen. Wie die Noch-Chefin der Grünen in einem Spiegel-Interview offen zugibt, ist für sie von dem "gesellschaftlichen Projekt" wenig übrig. Zwar übt sie auch Kritik an ihrer eigenen Partei, doch besonders scharf geht Lang mit dem Koalitionspartner FDP sowie insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz ins Gericht.
Viele Hoffnungen und die ernüchternde Realität
In ihren letzten noch verbleibenden Tagen als Grünen-Vorsitzende zieht die 30-Jährige ein ernüchterndes Fazit: Die Ampel, die als ehrgeiziges Vorhaben begann, stehe heute auf wackligen Beinen. Auf Lang wirkt das Ganze inzwischen sogar wie eine Art Kartenhaus, das unter der harten Realität zusammengebrochen ist. "Wir hatten eine gemeinsame Vision, aber dann haben wir es versäumt, über die großen Differenzen hinweg zusammenzuwachsen," ist sie sich inzwischen sicher.
Insbesondere kritisiert Lang, dass ausgerechnet wesentliche Fragen bei Themen wie Migration, Steuergerechtigkeit und Wirtschaftspolitik ausgeklammert wurden. Angesichts der Krisen sei es der Ampel daher nicht gelungen, zu einer Kraft des Neuanfangs zu werden.
"Sich schönreden hilft nicht weiter": Langs Kritik am Bundeskanzler
Dabei übt die Grünen-Politikerin vor allem an Bundeskanzler Olaf Scholz Kritik. Statt die Krisen wirklich anzugehen, habe er schlicht eine "Alles-gut-Haltung" eingenommen. Die wiederum habe es schwer gemacht, der Bevölkerung wieder Vertrauen in die Politik zurückzugeben. "Während sich die Bevölkerung in einer Krise befindet, vermittelt Scholz eine Ruhe, die an der Realität vorbeigeht", betont Lang kritisch.
Allerdings kommt in ihrem Resümee auch die FDP nicht gut weg. Anstatt aktiv an einer Lösung der anstehenden Probleme mitzuarbeiten und dies voranzutreiben, habe sich die FDP zu einer Art "Regierungsopposition" entwickelt – eine Haltung, die für Lang die Koalition immer wieder gelähmt hat. Dieser innere Widerspruch erschwere es, gemeinsam die dringend nötigen Reformen umzusetzen. Außerdem habe die Ampel damit auch das Bild vermittelt, dass sie eben nicht die moderne, handlungsfähige und parteiübergreifende Koalition ist, die zukunftsweisende Politik für Deutschland machen könne.
Die eigenen Reihen im Fokus: Selbstkritik an den Grünen
Ricarda Lang scheut sich allerdings auch nicht, ihrer eigenen Partei, den Grünen, Fehler vorzuhalten. Insbesondere das Auftreten in der Atom- und Heizungsdebatte, einem Kernthema der Grünen, sei fatal gewesen. "Statt klare Standpunkte zu vertreten, haben wir uns in eine ideologische Ecke gedrängt und damit selbst die Angriffsfläche geliefert", sagt sie. Stattdessen hätte man sich darauf verlagert, "Kompromisse zu präsentieren, die auf Instagram gut aussehen".
Mit einer überraschenden Offenheit gibt die 30-Jährige auch eigene Fehler zu. Die Grünen und auch sie selbst hätten sich viel zu oft "versteckt", statt mutig Position zu beziehen. Seit der Bekanntgabe ihres Rücktritts habe sie viel nachgedacht und spreche Problempunkte nun deutlich offener an – was ihr auch von Kolleg:innen und Parteigenoss:innen immer wieder zurückgemeldet wird. Und die neue Offenheit und Deutlichkeit käme sehr gut an, stellt Lang fest. "Vielleicht hätte ich früher so sprechen sollen", sinniert sie, "denn die Freiheit, ehrlich zu sein, hat gefehlt."
Ein persönlicher Abschied und ungeahnte Emotionen
Der Rücktritt von der Parteispitze war für Ricarda Lang ein Moment tiefgreifender Veränderung. Nach eigenen Angaben fühlte sie sich am Tag der Bekanntgabe lediglich teils traurig, teils erleichtert. Doch die volle emotionale Wucht traf sie erst später – als der Rücktritt von Kevin Kühnert bekannt wurde. Diese Nachricht rührte die Noch-Chefin der Grünen zu Tränen und ließ sie über ihre eigenen Beweggründe nachdenken: "Vielleicht sind es am Ende genau die, die die Politik mehr an sich heranlassen, die dann zurücktreten."
Für Lang habe sich die Zeit nach ihrem Rücktritt oft fast wie eine eigene "Beerdigung" angefühlt. Immer wieder seien Menschen zu ihr gekommen, die sie mit gedämpfter Stimme fragten, wie es ihr gehe. Ein Verhalten, das sie irritiert habe. "Niemand ist gestorben", stellt sie fest, "aber anscheinend empfindet die Welt den Verlust eines Amts wie den Verlust eines Stücks Lebens." Eine Sichtweise, die Ricarda Lang nicht teilt.
Leben ohne Amt, aber mit Klarheit
Denn sie zieht eine positive Bilanz aus ihrem Schritt in die Freiheit – fernab eines wichtigen Amtes. Ohne Spitzenamt, sagt sie, könne man Dinge letztlich auch wieder klar und direkt ansprechen. Auf die Frage, welches ihre wichtigste Lektion aus der zurückliegenden Zeit sei, lautet Langs Antwort: die "unsichtbaren Mauern im Kopf" von Politiker einzureißen, sei die größte Herausforderung.
Ihre neue Offenheit legt Lang auch anderen Entscheidungsträgern ans Herz. "Nur so lässt sich die Zukunft gestalten", betont sie. Für die Ampel-Regierung im aktuellen Zustand sieht sie dennoch kaum noch Hoffnung.
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Verwendete Quellen:
Bw24.de: Ricarda Lang rechnet mit Ampel ab und macht vor eigener Partei und Kanzler Scholz nicht halt
Merkur.de: Ricarda Lang gewährt tiefe Einblicke: „Ich hatte das Gefühl, ich bin auf meiner eigenen Beerdigung“